4-Tage-Woche bei vollem Gehalt?
„Können Sie sich die Viertagewoche bei vollem Gehalt in Ihrem Unternehmen vorstellen?“ epunkt hat 236 Unternehmensvertreter:innen und Personalverantwortliche gefragt, ob sie sich Islands Vorstoß auch in österreichischen Betrieben vorstellen können. Und spannende Antworten zu diesem heiß diskutierten Thema erhalten.
Inhalt
Isländische Saga oder österreichisches Zukunftsmodell? – Die Umfrageergebnisse
Nur vier Tage pro Woche arbeiten, aber das volle Gehalt bekommen: Was sich immer mehr Arbeitnehmer:innen wünschen, haben 2.500 Menschen in Island im Rahmen des weltweit größten Pilotversuchs getestet. Für die Studie wechselten sie fünf Jahre lang ohne Lohnabzug in die 4-Tage-Woche mit 35 statt 40 Stunden – und waren produktiver, zufriedener und weniger oft krankgeschrieben als zuvor. Geht das auch in Österreich?
83 % der Unternehmensvertreter:innen können sich ein Viertagemodell mit reduzierter Arbeitszeit in ihrem Betrieb vorstellen.
2022 haben wir unsere Mitarbeiter:innen gefragt, welche Benefits sie sich wünschen. Klare Gewinner: die 4-Tage-Woche bei vollem Gehalt und eine Workation (work & vacation. „Ich arbeite wo ich will, wann ich will“… Sie wissen schon 😉). Seit vergangenem Jahr gibt es beides. Sind die Mitarbeiter:innen in der Lage, die Ergebnisse auch in 32 Stunden zu erreichen? Die Produktivitätswette, die den Anstoß für die 4-Tage-Woche bei epunkt gab, konnte nicht gewonnen werden. „So ehrlich müssen wir sein. Auch wenn es schwierig ist, die Ursachen auf verschiedenen Ebenen korrekt zu gewichten“, sagt epunkt CEO Daniel Marwan. Eine komplexe Entscheidung für die Geschäftsführung, die trotz der Nichterreichung des Zieles an der 4-Tage-Woche festhalten wird.
Statt über Fluktuation zu grübeln, soll die Leistung angepasst werden. „Es ist besser, wir konzentrieren uns mit unseren top ausgebildeten, top motivierten und erholten Mitarbeiter:innen darauf, unsere Produktivität schrittweise zu verbessern, statt am Freitag unsere Fluktuation und ausgetrocknete Recruiting Pipeline in den Griff zu bekommen.“
Daniel Marwan über die 4-Tage-Woche:
Als Unternehmer und gelernter Österreicher ist man erst mal skeptisch – langfristig funktioniert das sicher nicht! Nicht in unserer Branche, usw. Gründe, warum das bei uns nicht geht, sind schnell gefunden. In einer Branche, wo die Profitabilität üblicherweise im einstelligen Prozentbereich liegt, Personalkosten 80 % der Gesamtkosten ausmachen, kann jeder sofort sehen, dass sich -20 % nie ausgehen kann. Wenn die 'Produktivitäts-Wette' nicht aufgeht, hat man also ein Problem. Frei nach Pippi Langstrumpf 'Das habe ich noch nie vorher versucht, daher bin ich völlig sicher, dass ich es schaffe' machen wir es trotzdem. Und bieten unseren Mitarbeiter:innen auf unbestimmte Zeit eine echte 4-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich. Die entwickelt sich zum Kleber für unsere bestehenden Mitarbeiter:innen. Damit adressieren wir unsere größte Wachstumsbremse.
Pro-Argumente für das Viertagemodell
- Als häufigstes Argument für die Arbeitszeitverkürzung gaben die Teilnehmer:innen die Work-Life-Balance als Produktivitäts-Booster an: Mehr Zeit für Sport und soziale Aktivitäten wirkt sich positiv auf die Produktivität aus. Wir sind konzentrierter, motivierter und kreativer. Laut Daten der OECD schafft es Österreich innerhalb der 38 Mitgliedsstaaten der OECD bei der Work-Life Balance aktuell nur auf den 24. Platz. Zudem verbringen wir diversen Studien zufolge ohnehin nur einen Bruchteil der acht Arbeitsstunden wirklich produktiv.
- An zweiter Stelle steht das Arbeitszeitmodell als Magnet für Fachkräfte: Die 4-Tage-Woche hat sich auf dem Arbeitsmarkt noch nicht durchgesetzt und kann als Pro-Argument für qualifizierte Kandidat:innen entscheidend sein. Zusätzlich steigert das Mehr an Freizeit die Mitarbeiterbindung ans Unternehmen (weniger Fluktuation).
Einer kürzlich erschienenen Umfrage zufolge wünschen sich 85 % der jungen Menschen in Österreich eine flexibel einteilbare Arbeitszeit im Sinne der New Work-Bewegung. - Gesundheitliche Vorteile: Mehr Erholungszeit führt zu verringerten Stresswerten, niedrigerem Blutdruck, weniger Burnout-Fällen, weniger Rückenbeschwerden und weniger Fehltagen.
Was für die Befragten für die 4-Tage-Woche spricht |
„Der Freitag war obligatorisch dafür da, dass ich die unerledigten Arbeiten vom Chef aufräume. Mein Job war schon am Donnerstag erledigt. Es könnte jeder für seinen Bereich Verantwortung übernehmen und wir machen am Donnerstag Schluss.“ |
„Pendler kommen auf weniger Bruttoarbeitszeit, Alternativen mit Home-Office könnten die genannten Punkte ebenfalls aufwerten.“ |
„Es ist zeitgemäß.“ |
„Effizientere Arbeitsleistung.“ |
„Für Menschen – insbesondere Frauen – stellt das einen Zeitgewinn für die Care-Arbeit dar.“ |
Was für die Befragten für die 4-Tage-Woche spricht | „Der Freitag war obligatorisch dafür da, dass ich die unerledigten Arbeiten vom Chef aufräume. Mein Job war schon am Donnerstag erledigt. Es könnte jeder für seinen Bereich Verantwortung übernehmen und wir machen am Donnerstag Schluss.“ |
Was für die Befragten für die 4-Tage-Woche spricht | „Pendler kommen auf weniger Bruttoarbeitszeit, Alternativen mit Home-Office könnten die genannten Punkte ebenfalls aufwerten.“ |
Was für die Befragten für die 4-Tage-Woche spricht | „Es ist zeitgemäß.“ |
Was für die Befragten für die 4-Tage-Woche spricht | „Effizientere Arbeitsleistung.“ |
Was für die Befragten für die 4-Tage-Woche spricht | „Für Menschen – insbesondere Frauen – stellt das einen Zeitgewinn für die Care-Arbeit dar.“ |
eBook mit Umfrageergebnissen zur 4-Tage-Woche
Exklusiver Premium-Inhalt: Die vollständigen Ergebnisse der Umfrage inkl. O-Tönen der Befragten finden Sie in unserem kostenlosen eBook.
Contra-Argumente und Bedenken
17 % der Befragten waren nicht überzeugt von dem Modell. Knapp die Hälfte befürchtet zu hohe Mehrkosten. 30 % können sich dieses Arbeitszeitmodell nicht für die eigene Branche vorstellen. 20 % gaben andere Argumente an. Bedenken kommen speziell in Bezug auf Öffnungszeiten, Schichtorganisation oder das Ungleichgewicht zwischen Mitarbeitenden:
Was für die Befragten gegen die 4-Tage-Woche spricht |
"Würde ein Ungleichgewicht zwischen Mitarbeiter:innen in der Produktion und im Büro ergeben." |
"Man benötigt für sehr viele Tätigkeiten eine/n Mitarbeiter:in anwesend oder zumindest im Journaldienst (Verkauf, Hotline, Support). Man muss Öffnungszeiten abdecken, wir können unser Geschäft nicht freitags zusperren." |
"Unser Dienstleistungsunternehmen ist an Öffnungszeiten mit Kundenfrequenz gebunden. 4-Tage-Woche bedeutet erhöhten Aufwand bei der Einteilung von Schichten etc." |
"Alternativ: 38,5 Stunden in vier Tagen." |
Was für die Befragten gegen die 4-Tage-Woche spricht | "Würde ein Ungleichgewicht zwischen Mitarbeiter:innen in der Produktion und im Büro ergeben." |
Was für die Befragten gegen die 4-Tage-Woche spricht | "Man benötigt für sehr viele Tätigkeiten eine/n Mitarbeiter:in anwesend oder zumindest im Journaldienst (Verkauf, Hotline, Support). Man muss Öffnungszeiten abdecken, wir können unser Geschäft nicht freitags zusperren." |
Was für die Befragten gegen die 4-Tage-Woche spricht | "Unser Dienstleistungsunternehmen ist an Öffnungszeiten mit Kundenfrequenz gebunden. 4-Tage-Woche bedeutet erhöhten Aufwand bei der Einteilung von Schichten etc." |
Was für die Befragten gegen die 4-Tage-Woche spricht | "Alternativ: 38,5 Stunden in vier Tagen." |
De facto bedeutet die Arbeitszeitverkürzung eine Gehaltserhöhung um mehrere Prozent. Unternehmen, die sich das leisten können, sind solche, die besonders qualifizierte Mitarbeiter:innen suchen.
Mutige CEOs, optimierte Prozesse, Vertrauen: Was braucht es, damit das Viertagemodell funktioniert?
Nach der Anzahl der Stimmen gereiht:
- Verbesserte interne Kommunikation
- Klarere Zuständigkeiten
- Verkürzte Meetings („Meetings that could have been mails“ werden tatsächlich zu Mails)
- Streichen von unwichtigen Aufgaben
- Eine staatliche Subvention der verkürzten Arbeitszeiten
O-Töne der Befragten zum Gelingen der Viertagewoche |
"Mutige CEOs (kam mehrfach), ein klares & transparentes Ziel sowie ein Vorleben der Werte und Kultur seitens des Managements" |
"Ein gutes Anwesenheitskonzept" |
"Gesteigertes Vertrauen in die Mitarbeiter:innen" |
"Klares Regelwerk der wechselseitigen Erwartungen" |
"Best Practice-Austausch, gesetzliche Rahmenbedingungen (z. B. Überstundenregelungen, Umstiegsregelung durch die Kollektivverträge)" |
"Deutliche Reduktion der Lohnnebenkosten" |
"Akzeptanz auch auf Kundenseite" |
O-Töne der Befragten zum Gelingen der Viertagewoche | "Mutige CEOs (kam mehrfach), ein klares & transparentes Ziel sowie ein Vorleben der Werte und Kultur seitens des Managements" |
O-Töne der Befragten zum Gelingen der Viertagewoche | "Ein gutes Anwesenheitskonzept" |
O-Töne der Befragten zum Gelingen der Viertagewoche | "Gesteigertes Vertrauen in die Mitarbeiter:innen" |
O-Töne der Befragten zum Gelingen der Viertagewoche | "Klares Regelwerk der wechselseitigen Erwartungen" |
O-Töne der Befragten zum Gelingen der Viertagewoche | "Best Practice-Austausch, gesetzliche Rahmenbedingungen (z. B. Überstundenregelungen, Umstiegsregelung durch die Kollektivverträge)" |
O-Töne der Befragten zum Gelingen der Viertagewoche | "Deutliche Reduktion der Lohnnebenkosten" |
O-Töne der Befragten zum Gelingen der Viertagewoche | "Akzeptanz auch auf Kundenseite" |

Adieu, Präsenzkultur? Die Vertrauens(arbeitszeit)frage
Muss sich unsere Einstellung zur Arbeit verändern?
66 % sind der Meinung, unser Zugang zur Arbeit muss weg von der Anwesenheits- und hin zur Ergebniskontrolle.
Die Vertrauensfrage stellt sich immer wieder. Was Ergebniskontrolle angeht, hinkt Österreich im internationalen Vergleich hinterher. Das österreichische Arbeits(zeit)recht kennt den Begriff "Vertrauensarbeitszeit" nicht, während diese in Deutschland längst etabliert ist. Auch im jüngsten Home-Office-Paket hat die gelebte Vertrauenskultur nicht Fuß gefasst. Knapp ein Drittel der Befragten kommt trotzdem bereits in den Genuss des Modells Ergebniskontrolle statt Präsenzkultur. 66 % sind der Meinung, dass hier Nachholbedarf besteht.
Weniger Arbeitszeit, mehr Output: So funktioniert’s in Best-practice-Unternehmen
Österreichische Beispiele für eine erfolgreiche Arbeitszeitverkürzung gibt es z. B.:
- beim Mühlviertler Online Marketing Unternehmen eMagnetix, das 2018 unter dem Motto "30 sind genug" die 30-Stunden-Woche bei gleichem Gehalt für alle Mitarbeiter:innen eingeführt hat. Der Anlass: zu wenig Bewerbungen. Seit der Arbeitszeitverkürzung hat sich die Anzahl der Bewerbungen vervielfacht, ebenso die Qualität und Mitabeiter:innen sowie Kund:innen seien zufrieden. 86 % der Mitarbeiter:innen fühlen sich seither gesunder als zuvor und für 63 % sei die Arbeitslast gesunken, erzählt Geschäftsführer Klaus Hochreiter im SN-Interview.
- in Osttirol, beim Naturkosmetik-Hersteller Brüder Unterweger. Für Michael Unterweger ist die 4-Tage-Woche bei vollem Lohn ein Weg, gute Mitarbeiter zu finden und zu halten. Im Interview mit dem Standard schildert er, dass er kaum bürokratische Hürden erlebt habe, sondern lediglich kleine Änderungen in den Arbeitsverträgen notwendig waren.
- in Schwanenstadt, wo der Ökostromerzeuger KWG über 20 verschiedene Arbeitszeitmodelle anbietet – beim Pilotprojekt „4-Tage-Woche“ gibt es neben der Variante, die volle Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden auf vier Tage zu verteilen auch noch zwei weitere Modelle, bei denen die Mehrkosten geteilt werden: 50 % trägt der/die Mitarbeiter:in, 50 % die Firma. Wer die Arbeitszeit um fünf Stunden reduziert, bekommt 6,5 % weniger Gehalt. "In Bereichen, wo Präsenz und nicht nur Produktivität bedeutend ist, wird es nicht möglich sein", so Geschäftsführer Peter Zehetner gegenüber dem Kurier.
- beim Linzer HR-Tech-Startup TeamEcho. Markus Koblmüller und David Schellander, Founder und Geschäftsführer, waren von den positiven Effekten einer 35-Stunden-Woche überzeugt und führten das Konzept mit Oktober 2021 ein. Für die Mitarbeiter:innen bedeutet das 3,5 Stunden weniger Arbeitszeit pro Woche bei vollem Lohnausgleich. Ein flexibles Gleitzeitmodell ermöglicht den Teams, ihre Arbeitszeit eigenverantwortlich auf die Woche aufzuteilen.
Anwesenheitskonzepte, Zeitmanagement und Technik helfen
Für Unternehmen wird es vor allem darum gehen, Arbeitskräfte effizient einzusetzen. Neben gut durchdachten Anwesenheitskonzepten für die Belegschaft nutzen Betriebe auch Jobsharing, bei dem sich zwei oder mehr Arbeitnehmer:innen einen Arbeitsplatz aufteilen, Dienstplanung per App, über die alle Mitarbeiter:innen ihre Arbeitszeiten und -orte steuern können und neue Arbeitszeitkonten, bei denen Mitarbeiter:innen flexibler Stunden aufbauen oder reduzieren können.
eBook mit Umfrageergebnissen zur 4-Tage-Woche
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