Videointerviews – der digitale Rettungsanker für Recruiting in Krisenzeiten?
Wie eine aktuelle Studie des Institute for Competitive Recruiting (ICR) zeigt, wollen zwei Drittel der Unternehmen ihr Recruiting jetzt stärker digitalisieren. In den vergangenen zwei Wochen hat das Institut mehr als 500 Arbeitgeber im deutschsprachigen Raum zum Thema „Recruiting in Zeiten von Corona“ befragt.
Inhalt
Unverzichtbarer Teil einer stringenten digitalen Recruiting-Strategie sind Videointerviews. Für 56 % der Unternehmen sind derzeit zeitgleiche Videointerviews das Mittel der Wahl.
Welche Möglichkeiten es neben Live Videos noch gibt, welche Tools sich dafür am besten eignen und wie Sie Video Interviewing in Ihrem Unternehmen einführen können, erfahren Sie in diesem Beitrag.

Welche Arten von Videointerviews gibt es?
Grundsätzlich wollen wir uns hier mit drei Arten von Videointerviews beschäftigen.
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Synchrone Videointerviews
- Synchrone (zeitgleiche/live) Videointerviews, bei denen zeitgleich aber an unterschiedlichen Orten gesprochen wird (vergleichbar mit einem Skype Call).
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Asynchrone Videointerviews
- Asynchrone (zeitversetzte) Videointerviews, bei denen mit Hilfe eines Video Interviewing-Tools zuvor aufgenommene Fragen von Kandidat:innen zeit- und ortsunabhängig beantwortet werden können.
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Video Pitches
- Video Pitches, bei denen Kandidat:innen die Möglichkeit erhalten, ein kurzes Vorstell-Video zu drehen, um einen ersten persönlichen Eindruck von ihnen zu erhalten.
5 Vorteile von Videointerviews
Nicht nur in Zeiten des Social Distancing bieten Videointerviews diverse Vorteile. Sie können auch im „Normalbetrieb“ zu effizienterem Recruiting führen.
#1 Für eine kluge Vorauswahl: Insbesondere bei jenen Positionen, bei denen es eine große Anzahl an Bewerbungen gibt und unter Umständen relativ viele Telefoninterviews nötig wären, um zu entscheiden, mit welchen Kandidat:innen man ein persönliches Gespräch führen möchte, bieten Interviews via Video einen großen Vorteil.
Ein erstes Kennenlernen via Video Call zeichnet bereits ein umfassenderes Bild der Kandidat:innen: Neben den Hard Skills und Facts aus dem Lebenslauf bekommen Recruiter im Videointerview unmittelbar ein Gespür für die Soft Skills des jeweiligen Kandidaten, der jeweiligen Kandidatin. So können persönliche Eigenschaften und die individuelle Arbeitsweise, aber auch der Cultural Fit bereits an dieser Stelle berücksichtigt werden und Einfluss auf die Vorauswahl nehmen.
#2 Fair Play – gleiche Voraussetzungen für alle: Standardisierte Fragen und Vorauswahlkriterien bewirken, dass Videointerviews automatisch strukturiert sind, was aus Sicht vieler Recruiter zu mehr Objektivität und somit zu potenziell mehr Fairness im Prozess führt.
#3 Rewind – zurück zum Anfang: Sie können die Remote Interviews bei Bedarf öfter ansehen, vergleichen und mit Ihren Kolleg:innen teilen.
#4 Den „Hidden Gem“ nicht übersehen: Kandidat:innen, die Sie basierend auf dem Lebenslauf eher nicht einladen würden, können Sie zum Beispiel per Video Pitch trotzdem die Chance geben, sich zu präsentieren und eventuell zu überzeugen.
#5 Distanz spielt keine Rolle: Videointerviews sind flexibel einsetzbar, unabhängig von Zeit und Ort, und erleichtern somit das Recruiting von Positionen, bei denen es eine große geografische Distanz zwischen Recruitern und Kandidat:innen gibt.
Welche Art von Videointerview setze ich, wann am besten ein?
Asynchrones Video Interviewing oder Video Pitches bieten sich vor allem dann an, wenn auf eine Position mit vielen Bewerbungen zu rechnen ist. So können Sie mehr Kandidat:innen die Chance geben sich zu präsentieren und haben selbst einen größeren Pool. Nach dieser „ersten Runde“ können Sie eine Vorauswahl treffen, um die Anzahl der Live Interviews überschaubar zu halten.
Synchrone Videointerviews bieten sich vor allem nach einem ersten Selektions-Prozess an, da diese zeitaufwendiger sind. Wenn man Kandidat:innen näher kennenlernen möchte und individueller auf die einzelnen Persönlichkeiten eingehen und Rückfragen stellen möchte, zahlt sich ein zeitgleiches Interview via Video Call auf jeden Fall aus.
Worauf Sie bei Remote Interviews achten müssen – der Technik-Check
- Überprüfen Sie vorab die Mikrofon- und Lautsprecher-Einstellungen.
- Der Bildschirm ist nicht die Kamera, diese sitzt am oberen Laptop-Rand, evtl.
Schutzklappe öffnen. - In der Kamera-Anwendung auf dem Laptop (Windows Suche -> Kamera) können Sie den Blickwinkel bereits vorab einstellen bzw. überprüfen. Danach Anwendung schließen, um Probleme zu vermeiden.
- Die Kamera sollte etwa auf Augenhöhe sein.
- Auf dem Bildausschnitt sollten zumindest Ihre Schultern erkennbar sein. So können Sie natürlich gestikulieren und sind nicht zu nahe an der Kamera.
- Sorgen Sie für genügend Licht im Raum. Spotleuchten können eventuell neu ausgerichtet oder Stehlampen zur Hilfe geholt werden.
- Natürliches Licht ist immer schöner als künstliches. Achten Sie aber darauf, dass Sie nicht mit dem Rücken zur Lichtquelle sitzen, da Sie so sehr dunkel dargestellt werden, da der Hintergrund zu hell ist.
Wie bereite ich einen Video Call und dessen Ablauf vor?
Bereiten Sie sich auf ein Videointerview genauso vor wie auf ein persönliches Interview, vielleicht sogar noch etwas mehr.
Denken Sie daher an:
- Den Technik-Check: funktioniert die Videoübertragung, das Mikrofon, passt die Internet-Bandbreite, um eine ordentliche Übertragung zu gewährleisten?
- Ein professionelles Outfit: idealerweise so, wie Sie sich zu einem persönlichen Interview kleiden würden.
- Eine professionelle Haltung: am besten sitzend (wirkt authentischer).
- Achten Sie auch auf den Hintergrund: am besten neutral und ohne große Ablenkungen.
- Video Netiquette: Blick in die Kamera halten, nervöse, unruhige Gestik vermeiden, natürliche Sprache verwenden (nicht ablesen).

Vergessen Sie nicht, am Ende dem Kandidat:innen ausreichend Zeit für Fragen einzuräumen und die weiteren Schritte genau zu erklären. Bei asynchronen Interviews hat der Kandidat, die Kandidatin nicht die Möglichkeit, Rückfragen zu stellen. Hier ist es besonders wichtig, über weitere Schritte zu informieren. Beantworten Sie daher am Ende des Videos folgende Fragen:
- Was passiert mit den Videoantworten des Kandidaten, der Kandidatin?
- Wann kann der Kandidat, die Kandidatin ungefähr mit einer Rückmeldung rechnen?
- Wie geht es weiter, wenn der Kandidat, die Kandidatin in die nächste Runde kommt?
- Synchrones Videointerview
- Persönliches Gespräch
- Wann und wie wird der Kandidat, die Kandidatin informiert, wenn er es nicht in die nächste Runde schafft?
Für Ihr Employer Branding und eine positive Candidate Experience ist es dennoch wichtig, wenn möglich, Kandidat:innen später zu einem persönlichen Gespräch in Ihr Unternehmen einzuladen. Nur so kann er sich ein Bild machen und potenzielle Kolleg:innen kennenlernen. In Zeiten von Corona ist es eventuell notwendig, auf besondere Situationen Rücksicht zu nehmen:
- Ist der Kandidat, die Kandidatin im Home-Office und muss seiner Aufsichtspflicht für Kinder nachgehen?
- Steht der Kandidat, die Kandidatin aufgrund der unsicheren wirtschaftlichen Lage unter besonderem Druck?
Wie bereite ich den Kandidaten, die Kandidatin auf das Gespräch vor?
Ideal wäre es, dem Kandidaten, der Kandidatin vorab eine Checkliste mit allen wichtigen Informationen zum Videointerview zu schicken, sodass er in Ruhe und zeitgerecht alle (technischen) Vorbereitungen treffen kann.
- Welches Tool wird verwendet und benötigt es dafür einen Download, einen Log-in oder spezielle Einstellungen (z.B. Browserversion etc.).
- Raten Sie dem Kandidaten, der Kandidatin, sich bei einem Live Interview schon ein paar Minuten vor dem Termin einzuwählen, um alles zu testen.
- Sollten spezielle Informationen abgefragt werden, kann der Kandidat, die Kandidatin vorab die entsprechenden Unterlagen (Zeugnisse, Bestätigungen, etc.) vorbereiten.
- Rahmenbedingungen, auf die geachtet werden sollen: Lichtquellen, Hintergrundgeräusche, Bildausschnitt.
- Was wird eventuell noch benötigt: Stift und Zettel für Notizen, Getränk bereitstellen.
Sollte der Kandidat, die Kandidatin noch nie zuvor ein Videointerview gemacht haben, kann man ihn eventuell in einem vorherigen Telefonat kurz briefen oder vielleicht sogar schon gemeinsam das Video Interviewing-Tool austesten.
Sollten asynchrone Videos oder ein Video Pitch gefordert sein, bietet es sich ebenfalls an, den Kandidaten, der Kandidatin vorab ausführlich zu informieren – entweder in Form einer Vorbereitungsmail oder eines Erklärvideos.
Videointerviews & Datenschutz
Mit Einführung der DSGVO im Jahr 2018 wurden auf deren Grundlage auch Richtlinien zur Verwendung von Video Interviewing-Tools festgesetzt, die es natürlich zu beachten gilt. Zusammenfassend kann man festhalten, dass folgende zwei Kriterien aus DSGVO-Sicht erfüllt sein müssen, um als Unternehmen Videointerviews durchführen zu können:
- Grundsätzlich muss immer eine Einwilligung von der Person, die aufgenommen wird, eingeholt werden.
- Zusätzlich muss ein Auftragsverarbeiter-Vertrag mit der Firma, die das Tool bereitstellt, aufgesetzt werden.
Diese Vorgaben sind zu beachten und umzusetzen, sollte ein Video Interviewing-Tool im Unternehmen eingeführt werden. Wir empfehlen allerdings, sich vor Auswahl eines geeigneten Tools im Detail mit den jeweiligen rechtlichen Vorgaben auseinanderzusetzen.
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